Gewandmeisterin blickt auf 35 Jahre Theater zurück

11.11.2024Maud Herrlein sorgt mit ihrem Team für die Kostüme und Deko auf der Bühne. Eine besondere Herausforderung waren die Folgen des Brands 2023 im Malersaal.

Über den Daumen werden es um die 350 Theaterproduktionen gewesen sein, die Maud Herrlein in 35 Jahren am Westfälischen Landestheater (WLT) miterlebt und mitgestaltet hat.* Nach und nach reifte einst ihr Berufswunsch, der sie ins Theater führte. Schon als Kind nähte sich die Gewandmeisterin des WLTs erste Röcke und einfache Hosen mit Gummizug in der Änderungsschneiderei einer Bekannten ihrer Eltern. Nach dem Abitur begann sie ihre schulische Ausbildung zur Damenschneiderin. Durch persönliche Kontakte machte Maud Herrlein ein Praktikum im Schauspielhaus Bochum, erlebte dort die Zeiten des Tanztheaters mit Reinhild Hoffmann. Im Theater fing die junge Frau gewaltig Feuer. „Da habe ich gedacht: Das ist meins“, erinnert sie sich.

Nach der Ausbildung genügte 1989 ein Anruf, um zunächst als Ankleiderin im Kinder- und Jugendtheater des WLTs anzufangen. Später konnte sie als Gesellin in der Schneiderei mitarbeiten. Es folgte der Meister 1997 und die Stelle als Leiterin der Kostümabteilung. Sie verantwortet das Budget, ist Fachfrau in Schnitten, recherchiert Modetrends vergangener Dekaden und hält die Fäden zusammen. Zuletzt durfte das Publikum ihre künstlerische Arbeit als Kostümbildnerin bei der musikalischen Produktion Cabaret bewundern.

Team ist seit vielen Jahren beständig

Die 56-Jährige blickt auf bewegte Theaterjahre zurück, in denen sie auch als Kostümbildnerin ihre Handschrift hinterlässt. Das erste selbst hergestellte Kostüm, ein gehäkeltes Schwein, bleibt unvergessen. „Der kleine Häwelmann von Theodor Storm war mein erstes Stück, das ich ausgestattet habe“, berichtet sie. Ihre Highlights auch als Zuschauerin am WLT waren die Produktionen des Regisseurs Reinhardt Friese: „Die Frau in Schwarz“ und „Der Name der Rose“.

Maud Herrlein hat unter der künstlerischen Leitung von Intendant Herbert Hauck am WLT begonnen. In ihren 35 Dienstjahren hat sie mit unzähligen Bühnenkünstlerinnen und – künstlern zusammengearbeitet. Ihr Kernteam ist seit vielen Jahren beständig. Damenschneiderin Christiana Herholz war die erste Mitarbeiterin, die Maud Herrlein eingestellt hat, sie verbinden zwei Jahrzehnte am WLT, auch Damenschneiderin Susanne Leschni arbeitet schon über zehn Jahre an ihrer Seite. Insgesamt sind sechs Frauen in der Kostümabteilung tätig, zu der auch die Deko-Schneiderei gehört, in der Susanne Leschni textile Elemente wie Vorhänge oder Polsterungen für die Bühnenausstattung fertigt.

“Für meine Mädels ist es immer schön, wenn wir historische Sachen machen. Und Fantasiekostüme sind auch immer toll. Es ist dieses Spiel: Mensch, wie machen wir das jetzt? Wie stellen wir das her? Das ist die Herausforderung,” erläutert Herrlein.

Die Arbeit als Leiterin der Kostümabteilung hat sich für Maud Herrlein in den vielen Jahren stark verändert. Grund ist das Online-Shopping. „Es ist wirklich sehr arbeitserleichternd, online zu shoppen. Ich war früher für manche Produktion wochenlang jeden Tag in der Stadt.“

Brand im Malersaal hinterließ Ruß auf tausenden Schuhen, Kostümen und Möbeln

Neben neu hergestellten oder gekauften Kostümen spielt im Theater auch die Arbeit mit dem Kostümfundus eine große Rolle. Als 2023 der große Brand im Malersaal wütete, hatte das auch Folgen für den Fundus und die Räume der Kostümabteilung. Die Glasscheiben, die den Malersaal vom meterlangen Schuhregal trennten, zersprangen unter der Hitze. Der Rauch zog ungehindert durch die Räume. „Ich war gerade aus Thailand zurück, bin in jeden Raum gegangen und dachte: Gott sei Dank ist nicht alles abgebrannt“, erinnert sich Maud Herrlein. Doch der Rauch hatte auf Unmengen an Kleidungsstücken, tausenden Schuhen und den Möbeln eine Rußschicht und Brandgeruch hinterlassen. Kostüme und Räume waren monatelang nicht nutzbar. Jedes Teil musste mittels Ozonbehandlung gereinigt werden. Dennoch hat so manches Paar Schuhe das Unglück nicht verkraftet. „Noch nie haben sich bis so viele Sohlen gelöst“, sagt Herrlein.

Die Mitarbeitenden der angeheuerten Firma räumten hunderte Kartons aus den Regalen. Das über Jahrzehnte gewachsene Ordnungssystem der Kostümabteilung geriet durcheinander, sodass ein Neuanfang anstand. Eine Firma behob die Brandschäden und das Team der Kostümabteilung renovierte für sich selbst den Rest. „Quasi in jeder freien Minute haben wir gestrichen. Es war ja jetzt alles so schön weiß, da wollten wir natürlich keine blauen oder grünen Türen mehr haben.“ Statt bunter Türen und brauner Holzfronten von anno dazumal verströmen die lichten Räume nun umso mehr die Würde eines Ateliers, in dem kreative Kräfte wirken können.

Fotos: Nadja Juskowiak/WLT