Interview mit Regisseur Thomas Tiberius Meikl und Co-Regisseur Maximilian von Ulardt

Mit „Blackout“ haben wir einen Bestseller mit einem sehr aktuellen Thema auf dem Spielplan. Die Vorlage umfasst 800 Seiten. Wie bringt man das auf die Bühne?
(beide lachen)
Meikl: Mir war schnell klar, dass man sich für ein paar Handlungsstränge entscheiden muss. Das war in der ersten Variante aber immer noch zu viel. Also habe ich von dem, was mich interessiert hat, ein Drittel genommen. Wenn überhaupt … (lacht).
Von Ulardt: Wir haben uns in Telefonkonferenzen zwischen Wien und Castrop vier Monate lang immer wieder unterhalten. Tom (Thomas Tiberius Meikl) und ich wollten das Herz des Plots herausarbeiten, mussten aber auch darauf achten, dass nicht zu viel rausfällt.
Meikl: Man kann es ja auch recht flott erzählen. Da greifen Leute das Stromnetz an, Strom fällt aus, es ist ein Problem und Lösung muss gesucht und gefunden werden, Ende. Dann ist es aber nicht interessant. Der Spagat war, einen Krimi zu erzählen – mit der Frage ‚Wer war es?‘ ohne das zweite große Thema des Buches – die Umwelt-Komponente – außen vor zu lassen, denn eigentlich ist „Blackout“ ein grüner Thriller. Da wollen Umwelt-Aktivisten oder Umwelt-Terroristen die Welt verändern und wählen krasse Mittel zu diesem Zweck.
Von Ulardt: Es ist ein Wissenschaftsbuch und teilweise Schullektüre. Dabei schafft es den Spagat zwischen dem wissenschaftlichen Aspekt und dem Krimi. Als Klammer dienen die Natur bzw. die Ressourcen. Wir haben versucht diesen Aspekten Rechnung zu tragen.

Tom, du hast Marc Elsberg bei deinen Vorbereitungen für das Stück getroffen. Welche spannenden Details hat er dir noch zur Entstehungsgeschichte des Romans verraten?
Meikl: Als ich Marc Elsberg gefragt habe, was ihm wichtig war, da sagte er, dass der Stromausfall für ihn ein Vehikel ist. Er wollte zeigen, wie sich die Gesellschaft verändert, wenn sie in einer dicken Krise steckt. Er hat sich Katastrophenfälle der Vergangenheit angeschaut -den Hurrikan in Haiti oder Katrina – und analysiert, wie es den Menschen danach ging. Wie lange hat der Aufbau gedauert? Welche Herausforderungen stellen sich beim Wiederaufbau usw. Das hat er übertragen auf einem europaweiten Stromausfall. Er meinte, er hätte auch den Ausfall des Internets wählen können, doch die Tragweite eines europaweiten Blackouts war dann doch die passende Krise für ihn, da über sie viel erzählt werden kann.
Und interessanterweise haben Elsberg und ich die gleichen Lieblingsszenen: die Sterbehilfe-Szene und die Herzinfarkt-Szene, da wird es sehr persönlich und sehr menschlich. Bei Elsbergs erster Lesereise sind die Leute rausgegangen, als er die Herzinfarkt-Szene vorgelesen hat. Er liest sie seitdem nicht mehr vor. Ich habe sie in meiner Fassung drin.

Das ist bereits euer zweiter Krimi, den ihr inszeniert. Zeigt sich da schon eine Vorliebe für das Genre?
Meikl: Mich reizt sowas! Eine eigene Fassung zu schreiben, ist natürlich schwierig, aber eine tolle Herausforderung. Bei Ibsen oder bei ‚Faust‘ oder dergleichen, kommen die Zuschauer mit einer gewissen Erwartung rein. Bei uns hat der Zuschauer die Handlung vielleicht auch im Kopf, aber man ist mit einem zeitgenössischen Buch schon freier, als mit einem Klassiker. Sätze wie: „So kann man einen „Faust“ nicht inszenieren“, gibt es bei einer Uraufführung nicht, denn die hat ja noch niemand gemacht, aber natürlich würde ich gerne auch mal einen Klassiker machen.
Von Ulardt: Ich bin froh, dass Tom die Fassung geschrieben hat. Das ist eine Arbeit, das könnte ich in dieser Form wohl nicht. Andererseits Tom und ich ergänzen uns ziemlich gut, was auch technische Dinge betrifft. Tom sieht immer das Allgemeine so schön. Ich habe den Blick fürs Detail. Das gefällt mir immer extrem gut.
Meikl: Vorliebe, weiß ich jetzt nicht, aber man wächst langsam in dieses Genre rein. Man kann dabei tagesaktuell sein. Ich muss mich nicht bemühen, den Klassiker ins Heute zu bringen. „Blackout“ spielt bereits im Heute. Deshalb sind so moderne Stoffe, die zu Bestsellern werden auch eine Riesenchance, um aktuelle Themen zu behandeln. Naja, vielleicht wird der Thriller langsam doch zur Vorliebe.

Stichwort „grüner Thriller“. Eines eurer Ziele für diese Produktion ist es ja auch, den Zuschauer für die Ressourcen zu sensibilisieren. Wie wollt ihr das machen?
Meikl: Wenn man nach dem Theaterbesuch nach Hause fährt und schon beim Zündschlüssel denkt, ‚das ist jetzt super selbstverständlich, aber …‘ oder Zuhause, wenn man die Toilettenspülung betätigt oder den Lichtschalter und vielleicht kurz innehält und sich denkt „was wäre wenn“. Das wäre schön, wenn sich das einstellt. Ein großer Strang ist, dass den Atomkraftwerken der Notstrom ausgeht. Das wird durch unsere Videos ganz toll unterstützt, da hat Alec Barth ganz tolle Arbeit geleistet. Das ist auch ein sehr ernster Aspekt, über den der Zuschauer nachdenken muss.
Von Ulardt: Wir erzeugen beklemmende Stimmungen und regen zum Nachdenken an. Es ist ein Stück, was man vielleicht auch mal aushalten muss, um zu merken, ‚oh das ist bitter, wenn das passiert.‘ Und dann klickst du vielleicht schon dreimal bewusster den Lichtschalter an.
Und natürlich schafft Elsberg es auch über die Wissenschaft. Er macht in seinem Roman deutlich, was eigentlich alles mit Strom läuft. Auch das Wasser wird damit in die Häuser gepumpt. Und da stellt sich schon die Frage, ob es Fortschritt ist, sich so abhängig von Technik zu machen?
Meikl: Es ist ein Thriller, der nicht gegen Technik ist, sich aber schon auch sehr kritisch damit auseinandersetzt, uns diese Abhängigkeit bewusst zu machen. Aktuell erleben wir alle die stille Katastrophe des Klimawandels, die eben – weil sie still ist –, so gefährlich ist. Drum sage ich, vielleicht ist der Zeigefinger langsam wichtig, ein bisschen auch von der Theaterbühne.

Bei der Leseprobe habt ihr gesagt, dass ihr eine post-apokalyptische, beklemmende Stimmung erzeugen wollt. Mit welchen Mitteln soll dies geschehen?
Meikl: Der Zuschauer soll sich so fühlen, als es ob der Stromausfall tatsächlich vor ein paar Jahren geschehen ist und wir in den Spielszenen quasi live dabei sind. Die Augenzeugen-Berichte sind dann eine andere Zeitebene und berichten rückblickend, wie es damals gewesen ist. Ich glaube dadurch kommt ganz viel Beklemmung auf. Wir haben die ersten Aufnahmen dem Ensemble gezeigt und eigentlich war es eine fröhliche Stimmung…
Von Ulardt: …fröhliche Bergfeststimmung und dann haben wir gesagt, ‚jetzt kommt eine kleine Videopräsentation‘ und danach war betretendes Schweigen.
Meikl: Otto-Normal-Verbraucher denkt am Anfang, ach witzig- Stromausfall, dann machen wir uns eine Kerze an… Und diese Momente darf es auch haben, gerade am Anfang, wenn alle das Ausmaß noch nicht begreifen, aber dann kommt es anders … Alec hat uns mit starkem Videomaterial ausgestattet, das ist neben dem Ensemble die weitere tragende Stütze der Inszenierung.

Ihr seid beide lange Zeit am WLT als Ensemble-Mitglieder gewesen. Wie ist es für euch gemeinsam dieses Projekt am WLT zu realisieren?
Meikl: Es ist wie nach Hause kommen.
Von Ulardt: Wir sind an diesem Haus hier groß geworden und kommen super mit dem Ensemble klar. Und als Team – und das sind wir zusammen mit dem Ensemble – wollen wir eine Geschichte erzählen.
Meikl: Und die Kollegen haben uns nicht vergessen. Das WLT ist ein Haus, das sehr gerne ausbildet und sich dem auch verschreibt. Wir waren schon fertig ausgebildet, als wir herkamen und die ersten Jahre als Schauspieler und Regieassistent hier verbringen durften. Aber es waren wirklich noch Lehrjahre.
Von Ulardt: Fast schon mehr als in der Schauspielschule, zumindest für mich. Ich habe hier tatsächlich mehr gelernt.
Meikl: Ja, die Zeit hier war wie das Praxis-Aufbau-Studium. Und man merkt, wie es die Theaterleitung auch schön findet, dass der WLT-Nachwuchs wieder hier ist. Jetzt kann man es sich schon wieder gar nicht mehr vorstellen, aus dem Ruhrgebiet wegzugehen.
Von Ulardt: Ach, das könnte jetzt auch so weitergehen. Wenn jetzt immer wieder Anfragen vom Theater kämen, das würde ich voll feiern.
Meikl: Wir kommen gerne wieder! (beide lachen) Und wir sind ja mit Rabea und Alec zu viert im Kreativteam und auch Rabea Stadthaus (Kostümbild) hat ihre ersten Schritte in der Theaterwelt am WLT gemacht. Das heißt dann wohl 3:1 fürs WLT.

Nach der Beschäftigung mit der Thematik des Blackouts, also einem flächendeckenden Stromausfall, wärt ihr nun vorbereitet?
Beide: Nein, auf gar keinen Fall.
Meikl: Ich habe nicht genug Vorräte für zwei Wochen im Haus, nein. Noch steht in Wien ein Auto mit einer Tankfüllung, die für die Fahrt zu meinen Eltern reichen würde, die auf dem Land wohnen. Vielleicht ginge es dort besser. Das wäre meine Taktik – jetzt – nach der Lektüre von Elsbergs Buch.
Von Ulardt: Auf Grund der Beschäftigung mit der Thematik weiß ich jetzt, wie sehr ich nicht vorbereitet bin.
Meikl: Das Stück hat das Bewusstsein dafür schon nochmal gestärkt. Vorbereitungen sind schon wichtig. Aber wichtiger ist es, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die für das Umfeld nachhaltig sind: Wie oft mache ich eine Flugreise? Ist die Eifel nicht vielleicht auch schön? Was gebe ich da meinen Kindern mit, wenn ich jede Packung Milch mit dem Auto hole, gibt’s nicht vielleicht auch fußläufig einen Laden, wo ich hingehen könnte. Diese Dinge sind wichtig. Gerade wenn man Kinder hat, denen man eine Art zu Leben beibringt. Nur weil es eine leise Katastrophe ist, bedeutet das nicht, dass man nicht drüber nachdenken muss. Und so langsam muss sich jeder Einzelne ein bisschen an die Nase fassen und Entscheidungen treffen. Die Einschläge kommen näher. Stichwort Hitzewelle in NRW mit Temperaturen über 40 Grad.

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Die Premiere findet am Samstag 5. Oktober um 20 Uhr in der Stadthalle Castrop-Rauxel statt. Es gibt eine zusätzliche Vorstellung in der Stadthalle Castrop-Rauxel am 5. März um 20 Uhr. Weitere Termine in der Umgebung stehen auf der Website.
Karten ab 20€ (ermäßigt 16€) sind an der Theaterkasse des WLT erhältlich: Max Bock, 02305 – 978020 oder bock@westfaelisches-landestheater.de.