Interview: Was Arsène Lupin und Robin Hood gemeinsam haben

30.9.2024 – Regisseur Felix Sommer und Ausstatterin Rabea Stadthaus bringen am WLT Arsène Lupin – Der Gentleman-Gauner auf die Bühne. Im Interview berichtet das Kreativteam über die Qualitäten des Meisterdiebs und den Zeitgeist um die Jahrhundertwende. Premiere ist am 6. Oktober in der Stadthalle.

WLT: Felix, Du hast drei Geschichten über Arsène Lupin für die Bühne dramatisiert. Was war bei der Textarbeit die größte Herausforderung für dich?
Felix Sommer: Die erste große Herausforderung war, dass wir relativ lange gebraucht haben, bis wir eine originale Fassung bekommen haben. Die Übersetzung dieser Geschichten ist aus dem Jahr 1913. Der Dramaturg Christian Scholze hat wirklich Monate danach gesucht und sie dann in der Deutschen Nationalbibliothek gefunden.
Die zweite Herausforderung war, dass der Text in Fraktur gesetzt ist. Fraktur ist die Schrift, die alle vom Titel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kennen. Ich kann Fraktur einigermaßen lesen, aber doch nicht so gut, wie ich geglaubt habe. Das ist dann immer wieder zeitaufwendig gewesen, sich bei einzelnen Worten klarzumachen: Was steht da eigentlich?
Das Dritte war: Diese Geschichten sind in einer Art und Weise geschrieben, die sich nicht sofort für eine Dramatisierung anbietet. In den Büchern gibt es sehr viel Erzähltext und wenig Dialoge. Ich finde immer, wenn man schon Literatur auf die Bühne bringt, dann darf man auch und sollte man auch erkennen, dass es eine literarische Vorlage ist. Und in diesem Falle habe ich mich dafür entschieden, dass es eine Erzählerfigur gibt.

Was reizt dich an der Figur Arsène Lupin?
FS: Ganz vieles – für mich machte von Anfang an den Reiz aus, dass ich die Figur bereits kannte und mochte, bevor Lupin durch die Netflix-Serie einem breiten Publikum in Deutschland bekannt wurde. Bei meinen Großeltern stand ein Arsène Lupin-Roman im Regal, und ich habe als Elf- oder Zwölfjähriger darin gelesen. Und es gab auch eine japanische Comic-Serie, die ich am Rande mitbekommen habe.
Ich finde, die Figur hat ein bisschen etwas von Robin Hood. Er ist der ehrenhafte Gauner, der Gentleman, der nur die Reichen bestiehlt und selten mit Gewalt vorgeht, sondern immer mit seinem Intellekt und seiner Fähigkeit, sich zu verkleiden und in andere Figuren zu verwandeln. Damit narrt er die anderen. Es ist jemand, den man bewundert, weil er halt so flirrend und so beeindruckend ist. Aber es gibt ja auch den Polizisten, der immer versucht, ihn zu verhaften. Der ist auf seine eigene Art und Weise auch ein Sympathieträger. Es macht Spaß, mit beiden Figuren mitzufiebern.

Es heißt, Arsène Lupin wurde in Frankreich erfunden, weil Sherlock Holmes so überaus erfolgreich wurde. Gibt es auch inhaltlich Parallelen zwischen Lupin und Holmes?
Es sind beides auf ihre Art Genies: Sherlock Holmes ist immer mindestens fünf Schritte im Kopf voraus und bei Arsène ist es ähnlich. Das hat, glaube ich, viel mit der Zeit und den Geschichten dieser Zeit zu tun. Es ist die Zeit von Edison, die Zeit von Tesla. In der Wissenschaft gab es diese Genies, die Quantensprünge gemacht haben. Es ging los mit der sich immer schneller verändernden Menschheits- und Kulturgeschichte.
Auch strukturell haben die Geschichten tatsächlich Ähnlichkeit. Die Sherlock Holmes-Geschichten werden ja aus der Sicht von Dr. Watson erzählt. Bei Arsène Lupin ist es das Alter Ego des Autors, der behauptet, mit Lupin befreundet zu sein, der ihm die Geschichten erzählt.

Rabea, die Geschichten spielen um die Wende zum 20. Jahrhundert. Wie greifst du das in deiner Ausstattung auf?
Rabea Stadthaus: Wir sind tatsächlich historisch geblieben, sowohl im Kostüm als auch bei der Bühne. Wir haben eine Reihe Uniformen, weil sich viel im Gefängnis oder im Gericht abspielt. Und tatsächlich ist diese Zeit eigentlich für Fundus-Arbeit sehr dankbar, weil die Menschen vieles getragen haben – wie den Cutaway-Anzug, den Frack, Melone und Zylinder. Es ist auch modisch ein Jahrhundert des Umbruchs. Bei den Damen etwa hatte der neue Eiffelturm Ende des 19. Jahrhunderts Einfluss auf die Rockform.

Das Bühnenbild stellt verschiedene Schauplätze dar wie ein Kreuzfahrtschiff, ein Schloss und ein Gefängnis. Welches Konzept hast du für die Gestaltung des Bühnenbilds entwickelt?
In den drei Episoden sind es tatsächlich um die 20 Schauplätze. Deswegen arbeiten wir vor allem mit Projektionen. Dafür haben wir eine neue Opera angeschafft, die Rückprojektion ermöglicht. Im Grunde ist das wie eine Kinoleinwand, aber die Projektion kommt nicht von vorne, sondern von hinten, was uns verschiedene Möglichkeiten gibt. So viel sei verraten: Nicht jede Figur tritt nur vor der Leinwand auf.
Zu den Bildern habe ich viel recherchiert: Für das Gericht zum Beispiel habe ich tatsächlich nach dem Gericht in Paris geguckt.

Felix, warum sollte sich das Publikum eure Inszenierung von Arsène Lupin anschauen?
Wir erzählen die Geschichte nicht aus der heutigen Sicht, sondern wir versuchen, in der Zeit zu bleiben. Damals war auch der Stand der Kriminalistik noch nicht da, wo er heute ist. Darum ist der Krimi-Gedanke zwar drin, aber steht nicht im Vordergrund. Das Schöne ist: Es gibt Stellen, bei denen man mitfiebert, weil man manchmal nicht genau weiß: Wie ist das jetzt geschehen? Wer hat jetzt was gemacht? Und es gibt wirklich viel Schönes zu sehen. Ich glaube und hoffe, dass das Publikum einen amüsanten, unterhaltsamen und trotzdem auch spannenden Abend haben wird.

Die Premiere von Arsène Lupin findet am Sonntag, 6. Oktober, um 18 Uhr in der Stadthalle Castrop-Rauxel statt. Eine weitere Vorstellung gibt es am 31. Oktober um 20 Uhr im WLT-Studio. Tickets erhalten Sie online oder per E-Mail unter: tickets@westfaelisches-landestheater.de oder telefonisch unter: 02305-97 80 20.

Foto: Sabrina Dubray/WLT