Pressegespräch mit Karin Eppler und Philipp Kiefer zu „Der Fall Collini“ nach Ferdinand von Schirach
WLT: Mit deiner neuesten Inszenierung feiern wir in Castrop-Rauxel endlich wieder Premiere in der Stadthalle. Bei einer Probe hast du gesagt, dass sich das Publikum wieder auf „richtig gutes Dialogtheater“ freuen kann.
Karin: Die letzten eineinhalb, fast zwei Jahre waren so indirekt, so unpersönlich. Durch die vielen digitalen Angebote gab es Kultur sozusagen nur aus zweiter Hand. Deshalb glaube ich, dass es schön ist, wenn die Zuschauer*innen jetzt wieder ins Theater gehen und dem Ensemble auf der Bühne zusehen können. Dieses direkte Erleben, das ist toll.
WLT: Das Ensemble ist diesmal richtig groß.
Karin: Absolut. Mit acht Schauspieler*innen ist das eine Opulenz, die es sich lohnt zu erwähnen. Das ganze Stück zielt auf Direktheit ab. Nichts steht zwischen den Figuren, nichts zwischen Bühne und Publikum. Da macht es uns von Schirach leicht.
WLT: Inwiefern?
Karin: Es ist immer eine Herausforderung aus einem Roman eine Bühnenfassung zu schreiben. Von Schirach aber ist ja nicht nur Romancier, er ist auch Dramatiker. Er schreibt Kurzgeschichten, Novellen mit sehr viel Dialoganteil. Das ist fürs Theater hervorragend geeignet.
Philipp: Es ist nicht verwunderlich, dass „Der Fall Collini“ im Theater gespielt wird. Der Roman bietet sich einfach dafür an. Er ist so interessant und gut geschrieben, da hatte ich beim Lesen direkt Ideen für die Umsetzung auf der Bühne.
Karin: Das hängt für mich mit dieser Unmittelbarkeit zusammen. Mit dieser Direktheit und Schnörkellosigkeit.
Philipp: Und weil es für Menschen von Menschen ist. Da ist es natürlich super, wenn du Leute hast, die das spielen können.
Karin: Das Nachvollziehbare finde ich toll. Das große Ensemble, kaum Doppelbesetzungen. Hier ist die Nachvollziehbarkeit für den Zuschauer einfach Trumpf.
WLT: Für alle, die den Stoff nicht kennen. Worum geht es in „Der Fall Collini“?
Karin: Ich sage nur so viel: Es gibt einen Mord. Wir haben den Täter, wir haben das Opfer, aber wir haben kein Motiv. Mehr kann ich dazu nicht sagen, sonst verrate ich zu viel.
Philipp: Hier ist nicht die Frage: Wer hat wann, was getan? Sondern warum. Aus welchem Grund hat er es getan? Collinis Schweigen ist der Träger des Stückes.
WLT: Der Großteil der Inszenierung spielt im Gerichtssaal. Es gibt wenig Szenenwechsel. War das bei der Konzeption eher ein Vorteil für dich?
Philipp: Es ist eher eine Hilfe, klar. Das Gericht ist im Stück zentraler Ort. 60-65 % spielen dort. Da wir aber einen Guckkasten haben, war es von vornherein gar nicht möglich, einen Gerichtssaal auf die Bühne zu stellen. Das heißt, man muss nach der Situation suchen.
Karin: Genau, es geht um die Situation. Was passiert darin? Wieviel Raum braucht man? Manchmal ist es ja so, dass große Dinge eine lange Stille brauchen, bevor sie fulminant platzen. Die Frage nach dem „Warum“ ist bei uns durch die Bühne, durch das Konzept immer präsent. Mit seinem Schweigen determiniert Collini alle anderen Gespräche in irgendeiner Form.
Philipp: Es läuft mehr oder weniger immer über ihn – ohne, dass er direkt beteiligt ist. Das ist total interessant. Alles, was auf der Bühne passiert, passiert durch ihn. So ist er immer präsent. So eine Situation haben wir erfunden. Ohne jetzt zu viel zu verraten.