Interview zu "Musikladen"

1972 startete Radio Bremen als Nachfolger für den legendären „Beat-Club“ ein neues Musikformat unter dem Titel “Musikladen”. In diesem Laden wurde eine wilde Mischung unterschiedlicher Musikstile angeboten und mit Kabarett abgerundet. Unser „Musikladen – eine musikalische Wundertüte ist eine Hommage an diese außergewöhnliche Sendung und direkter Nachfolger unserer Beat-Club -Show. Tankred Schleinschock, musikalischer Leiter am WLT, verriet im Interview, worauf sich die Zuschauer freuen können und welche Songs auf keinen Fall fehlen dürfen.

WLT: Tankred, du arbeitest aktuell am „Musikladen“. Wie sieht denn deine Arbeit gerade konkret aus?
Tankred: Im Moment bin ich in der Phase, in der ich eigentlich immer bin, bevor es richtig losgeht: Indem ich mich mit den Songs, mit den Inhalten beschäftige, am Schreibtisch überlege, wie ich das aufbauen kann, die Chorsätze überlege und ähnliches.
Natürlich schreibe ich auch die Noten für die Band, für die Musiker die Arrangements. Es ist also ne Menge Arbeit am Schreibtisch. Das passt also jetzt ganz gut mit der Zeit zusammen, wo ich eh im Home Office arbeite. Das ist eine Sache, die hätte ich sowieso gemacht. Und das fällt dann halt jetzt zusammen.

WLT: Worauf können sich denn die Zuschauer freuen?
Tankred: Die Zuschauer können sich auf eine Show freuen, die ganz in der Tradition unserer musikalischen Produktionen der letzten Jahre steht. „Der Musikladen“ ist ja in der Tat der direkte Nachfolger vom „Beat-Club“. Der „Beat-Club“ ist eins unserer erfolgreichsten musikalischen Stücke der letzten Jahre gewesen. Es kommt überall richtig gut an.
Die Show „Beat-Club“ begann ´65 und hörte ´72 auf. Radio Bremen suchte dann ein Nachfolge-Projekt, das war „der Musikladen“. Das heißt, es ist voll mit der Musik der 70er Jahre. Und das ist auch ein Jahrzehnt, das uns noch ein bisschen fehlte. Der Musikladen lief zwar auch bis in die 80er Jahre hinein, aber der Schwerpunkt, den ich setzen werden, wird auf die frühe Musikladen-Zeit sein, auf die 70er und es gibt dann nur ein paar Ausläufer in die 80er Jahre rein. Aber eigentlich ist es eine Show über die 70er Jahre.

WLT: Du hast es schon angesprochen, der Musikladen war eine Show. Für alle die den Musikladen nicht kennen, erzähl doch bitte etwas über die Show und darüber wie wir diese Show dann auf die Bühne bringen werden.
Tankred: Das Konzept LADEN ist schon auch so ein bisschen Programm: Ein Laden, in dem es eigentlich alles Mögliche gibt, wie im Supermarkt oder in einem großen Kaufhaus, die verschiedenen Abteilungen. So gab es im „Musikladen“ auch verschiedene Abteilungen, jede Art von Musik. Der Musikladen ist noch sehr viel stärker auf eine Breite von Stilistiken orientiert als der „Beat-Club“.
Der „Musikladen“ geht verschiedene Stile durch: Deutsche Musik, Soul-Musik aus Amerika. Es gibt überhaupt einen viel stärkeren Akzent, der nach Amerika geht, ohne die Musik aus England zu vernachlässigen.
Glam Rock ist eigentlich das Phänomen der 70er Jahre. Bands wie T-Rex, David Bowie natürlich, Roxy Music, Slade und alle möglichen, die etwas Androgynes hatte, was ja auch wieder in die heutige Zeit passt, wo gar nicht mehr klar ist, Mann oder Frau. Also etwas, was in den 60ern völlig undenkbar gewesen wäre. Die Bands waren auch fast alle Männer, ganz ganz wenige Frauen-Bands gab es. Das wird in den 70er Jahren anders: Es gibt mehr Frauen, die singen oder in den Bands spielen – eine Band wie Heart zum Beispiel mit Barracuda, da gibt es sowohl die Sängerin als auch die Gitarristin – also das ist in den 70er Jahren stärker.
Die Männer selber, wie eben David Bowie mit seiner Kunstfigur,Ziggy Stardust, legen halt wert darauf, das typisch Männliche völlig zu vernachlässigen und eine Kunstfigur zu entwickeln, die zwischen den Geschlechtern steht.
Und Bands wie Roxy Music zum Beispiel fangen dann wieder etwas ganz Neues an: Bryan Ferry mit dieser Eleganz, die er hat, dieser dandyhaften Sache – ist auch eine völlig neue Note in der Rock-Musik. Bryan Ferry ist dann einer, der die ganze musikalische Tradition bis hin in die 20er Jahre aufarbeitet und in ein Rock-Konzept überführt. Mit Roxy Music hat er etwas völlig Neues geschaffen. Für jemanden wie mich, der die Band auch tatsächlich live erlebt hat, war Roxy Music eine Offenbarung – das war etwas ganz Neues. Wie überhaupt die Musik dieser Zeit.
Ein andere Phänomen der 70er Jahre ist der Punk. Der Punk, der im Musikladen komischerweise nicht über englische Bands kommt. Aber durch die Bands, die aus Amerika kamen, die auch irgendwie etwas anders spielten als der englischen Punk wie Ramones, zum Beispiel.
Der Musikladen hat nämlich eine tolle Sache: erstmal war es eine Show wie jede andere, wo dann Leute auftraten, manche sangen live, andere auf Playback, dazwischen gab es Moderation. Es gab auch Comedy mit Insterburg & Co. und die Cartoons von Heiner H. Hoier, die preisgekrönt waren. Es war eine sehr freche Sendung, gerade in dieser frühen Zeit.
Die Band Insterburg & Co. waren vier Blödelbarden, die völlig schräges Zeug machten. Und einer von ihnen wurde dann später als Einzelkünstler berühmt: das war Karl Dall. Karl Dall gehörte zu Insterburg & Co. genauso wie Ingo Insterburgs, Peter Ehlebracht und Jürgen Barz und die spielten halt alle ganz schräg Instrumente, freche Texte, schräge Szenen. Das war schon was Besonderes. Daraus werden wir auch Dinge spielen. Weil ich finde, dass sie es auch einfach einfach mal wieder wert sind, gespielt zu werden.

WLT: Welche Songs sind deine Highlights aus der Zeit, die in der Show nicht fehlen dürfen?
Tankred: Das Problem ist nicht, welche Songs nicht fehlen dürfen , sondern es war eine Unmenge von guten Songs, wo einfach ein menge Arbeit investiert werden muss, um auszuwählen, was nimmt man dann da wirklich rein, wenn man eine so repräsentative Show macht. Was natürlich auch teilweise mit den Leute zusammenhängt, die mitmachen. Welche Songs passen zu den Darstellern?
Ich kann aber ein paar Sachen nennen: Motörhead mit „Ace of Spades“ war ein grandioser Auftritt. Van Morrison auch ein ganz toller Künstler. „Into the Mystic“ ist ein Song, der vorkommen wird. David Bowie wird bei uns mit zwei Songs vorkommen, „the Ji-Jiniy“, einer seiner frühen, großen Hits und „the Man, who sold the World“. Der ist im Musikladen aber nicht von ihm, sondern von Lu-Lu gesungen worden. Sie hatte damit den größeren Hit gehabt und ich werde auch die Lu-Lu-Version nehmen.
Die frühen Police mit Sting, „So lonely“ – ein Riesenhit aus der Zeit. Roxy Music natürlich, die hatte ich eben ja schon ausführlich genannt, Virginia Plain zum Beispiel. Slate, eine Band mit einer Fülle von Hits in den 70er Jahren: Goodbye to Jane. Die Ramones natürlich mit Blitzkrieg Bop. Aber es gibt auch Soul wie beispielsweise “Lady Marmelade” von La Belle, die dann ja später auch noch oft gecovert wurde. Ein interessantes Phänomen. Viele der Songs im Musikladen, die wie neue Songs wirken, sind tatsächlich Neuaufnahmen oder Cover aus den 60er Jahren. Bachman-Turner Overdrive kommen vor, ebenso wie die Sparks. Queen mit der Titelmusik von Flash Gordon. Stevie Wonder „Superstition“, Tina Turner „Nutbush city limits“, Meatlofe und Tim Curry, der Darsteller des Dr. Frank N. Furter aus The Rocky Horror Picutre Show, kommt auch vor.
Es gibt etwas, was ich neu mache, was ich vorher noch nie in diesen Shows gemacht habe: Es gab im Musikladen, besonders in den ersten Jahren, eine feste Institution und das nannte sich „Die Oldie-Show“. Ganz am Anfang wurden immer einige Oldies vorgestellt. Ein „Oldies“ konnte auch nur drei Jahre alt sein- also ein Songs von 1969 galt 1972 als Oldie (lacht). Das Publikum konnten per Telefonanruf wählen. Und am Ende der Sendung wurde dann dieser Oldie gespielt. Das will ich auch machen: Ich will auch am Anfang der Show ein paar Oldies vorstellen und den Leuten die Chance geben, in der Pause zu wählen und am Ende der Show wird dann der Sieger gespielt. So dass wir selber nicht wissen, welcher Song am Ende der Show steht.

WLT: Also ist jede Show anders!

Tankred: Ja, genau.So wie die Rolling Stones das auch ihrer Tournee auch gemacht haben, wo das Publikum immer ihren Lieblingshit aus drei, vier Vorschlägen im Internet abstimmen konnten und dann spielten sie den jeweiligen Hit. Ich fand das damals schon toll. Und als ich dann im Musikladen sah, dass das da eine feste Institution war und auch sehr angenommen wurde – einmal brach sogar das Telefonnetz von Bremen zusammen, weil so viele Leute angerufen hatten – fand ich es eine tolle Idee und wollte es gerne machen. Und ich bin selber gespannt, welcher Song – ob es immer der gleiche ist, ob es jedes Mal ein anderer ist – am Ende gespielt wird. Das ist dann auch für uns immer eine kleine Überraschung, in jeder Show eine andere.

Weitere Infos zur Produktion gibt es hier.

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