Kinder an die Macht!

“Greta Thunberg rüttelte die Welt im Alter von 15 Jahren mit ihrem Streik für den Klimaschutz auf. Durch ihre Beharrlichkeit und ihre eindringlichen Worte ist ihr etwas Unglaubliches gelungen. Ihr Einsatz trat eine Bewegung für das Klima und den Umweltschutz los, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat.” – Frances van Boeckel

In wenigen Tagen feiern wir im Rahmen von “Bühne raus…!” die Premiere eines absoluten Kinderbuch-Klassikers: “Die Konferenz der Tiere” nach Erich Kästner. Morgen beginnen die Endproben, ein perfekter Anlass Regisseurin Frances van Boeckel und Ausstatterin Anja Müller zum Interview zu treffen.

WLT: „Die Konferenz der Tiere“ ist ein absoluter Kinderbuch-Klassiker. Was gefällt dir an der Geschichte so gut, Frances?
Frances: Es ist eine großartige, humorvolle und höchst aktuelle Geschichte, die nie seine Legitimität verlieren wird. Tierfiguren wollen aktiv dazu beitragen, die Welt zu verbessern. Aus diesem Grund tagt die erste Konferenz der Tiere. Sie wollen, dass auf Worte endlich Taten folgen.

WLT: Worauf liegt der Fokus in deiner Fassung und deiner Inszenierung?
Frances: Die Tiere bzw. die jungen Aktivist*innen, die zum Vorbild der Figuren dienen, werden aktiv, um sich für eine bessere Zukunft für alle Lebewesen auf der Erde einzusetzen. Ob beim Klima- und Umweltschutz, bei der miserablen Lage der Flüchtlingskinder, der Geschlechtergleichstellung oder der Bekämpfung von sozialer Ungleichheit: Die junge Generation treibt die Debatte voran, von der nicht nur ihre, sondern die Zukunft aller zukünftige Generation abhängt. So wie es momentan auf der Welt zugeht, besteht ein großer Bedarf für Verbesserungen in vielen Bereichen.

WLT: Welche Änderungen hast du darüber hinaus vorgenommen?
Frances: Ich habe die Geschichte vereinzelt entstaubt. Erich Kästner hat „Die Konferenz der Tiere“ kurz nach der Zweiten Weltkrieg im Jahr 1949 veröffentlicht und gibt daher gut wieder, wie es in jener Zeit zuging. In meiner Theaterfassung musste ich die teils altmodischen Ansichten und Ausdrucksweisen in die heutige Zeit überführen. Zusätzlich habe ich mich auf die Handlungen und Figuren konzentriert, die für mich und meine Inszenierung wesentlich sind. Ich denke das Ergebnis kann sich sehen lassen.

WLT: Wie bist du auf die Idee gekommen, junge Aktivist*innen als Vorbild für deine Figuren zu nehmen?
Frances: Es war mir früh klar, dass die Tierfiguren alle jung und politisch sein müssen. Junge Aktivist*innen wie Greta Thunberg, Amanda Gorman, Carola Rackete, Boyan Slat, Joshua Wong, aber auch die Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion und das Hackerkollektiv Anonymous dienten mir als Inspiration, um meine Theaterversion zu entwickeln. Von Anfang an wollte ich z. B. auch einen Teil von Greta Thunbergs Rede – „How dare you“ – vom UN-Klima Gipfel im Jahr 2019 im Stück verarbeiten. Ein sehr eindrucksvolles und wichtiges Dokument von einem tapferen und wütenden jungen Mädchen.

WLT: Und wie setzt du dies in deinen Kostümen um, Anja?
Anja: Frances und ich haben bei der Recherche zum Thema Umweltaktivismus einige Vorbilder gefunden, die einen bestimmten Typus darstellen, das heißt Bekleidungs- und Haartracht-Stile, die in dieser Szene häufiger zu finden sind. Diese sind tatsächlich unterschiedlicher und vielfältiger als das erste visuelle Klischee des „Ökos“ vermuten lässt. Für den Löwen haben sich die klassischen Naturtöne und Materialien in Kombination mit Birkenstock-Sandalen angeboten, diese Schraube wird durch seinen Spruch auf dem Oberteil, das dadurch an ein Demo-Plakat erinnert, weiter in Richtung Aktivist gedreht. Dazu im Gegensatz ist die Giraffe doch sehr weiblich und modisch ausformuliert gekleidet. Hier war Amanda Gorman das optische Vorbild, während dem Löwen Carola Rakete affin angelegt ist. Die Eule ist der sportlich kämpferische Aktivisten-Typ mit großer Nähe zu den digitalen Eingriffsmöglichkeiten, während der Elefant eher einem politisch-intellektuellem Lager zuzuordnen ist. Die Eisbärin hingegen repräsentiert den Typus der visuell bildenden Künstlerin.

WLT: Und wie gelingt es dir, dass die Tierfiguren dennoch erkenntlich bleiben?
Anja: Durch die Farben und Materialien sind in die Tiere noch in den Kostümen in Details ablesbar. Dies sind zum Beispiel gelb und schwarz für die Giraffen, sie hat zudem Schuhe die durch Form und Muster an Giraffen-Hufe erinnern. Der Löwe hat eine große Mähne in Form einer dicken Rasta-Perücke, der Elefant ist durchgehend grau gekleidet und erhält durch die Weite der Kostüme eine größere Massivität, die Eule hat ein abstraktes Flügelmuster auf den weiten Ärmeln, die Eisbärin ist fast durchgehend hell und trägt zumindest ein bisschen Fell auf der Bühne in Form einer Weste.

Plakatmotiv Die Konferenz der Tiere_Web_Timo HummelFrances van BoeckelAnja Müller
Leseprobe Die Konferenz der Tiere_Volker Beushausen_3 

WLT: Sollten eurer Meinung nach Kinder und Jugendliche viel mehr am politischen Geschehen teilnehmen (dürfen)?
Frances: Greta Thunberg rüttelte die Welt im Alter von 15 Jahren mit ihrem Streik für den Klimaschutz auf. Durch ihre Beharrlichkeit und ihre eindringlichen Worte ist ihr etwas Unglaubliches gelungen. Ihr Einsatz trat eine Bewegung für das Klima und den Umweltschutz los, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat. „Man ist nie zu jung dafür, einen Unterschied machen zu können“, ist ihr Credo. Die aktuelle Klimabewegung beweist, was junge Menschen erreichen können, wenn sie gemeinsam politisch aktiv werden. Dabei geht es in der Politik so gut wie nie über die Sorgen von Kindern, auch wenn fast ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung unter 18 Jahre ist. Willst du die Welt besser begreifen und anführen, ist der klare, wahrhafte und unverstellte Blick eines Kindes unabdingbar.

WLT: Was würdest du gerne in der heutigen Welt ändern?
Frances: Kinder an der Macht! Aber im Ernst: Die Liste an sinnvollen Veränderungen für diese Welt ist lang. Es geht von der Verantwortung für das Kindeswohl, von sozialer Ungerechtigkeit über Natur- und Umweltschutz bis zur Diskriminierung und dem Recht auf Bildung für alle. Ich für meinen Teil möchte über meine Theaterinszenierungen zu diesen notwendigen Änderungen beitragen. Ganz in Kästners Sinn „Es gibt keine Trägheit des Herzens mehr.“

WLT: Welches Tier wärst du denn gerne für einen Tag lang?
Frances: Eine Mischung aus zwei Tieren. Die eine Hälfte des Tages möchte ich ein Affe im Dschungel sein, mit einer Liane von Baum zu Baum schwingend, Seite an Seite mit meinen Freunden und der Familie. Die andere Hälfte des Tages wäre ich gerne ein Steinadler, hoch in der Luft fliegend, umgeben von Felsen, Bergspitzen und unendlicher Weite.

Wenige Restkarten für die Premiere am Sonntag, 13. Juni um 14 Uhr sind unter 02305 – 978020 oder tickets@westfaelisches-landestheater.de erhältlich.