Kaum ein Theaterstück ist momentan wohl aktueller als Noah, der Prepper. In dem Stück von Flo Staffelmayr geht es, um den Familienvater Noah, der sich in seinem Keller auf den Weltuntergang vorbereitet und dort alles zum Überleben Notwendige gebunkert hat. Es ist ein skurriles und doch sehr realistisches Stück über den Umgang mit der Angst.
Während der Proben für die Premiere, die ursprünglich am 5. April stattfinden sollte, rollte die Corona-Pandemie über die Welt – und über Deutschland. Zum Zeitpunkt des Interviews (am 23. März) befand man sich am Anfang der Pandemie und wusste noch nicht, wie sich diese auf den Theaterbetrieb auswirken würde. Die Premiere musste verschoben werden und findet nun am Sonntag, 28. Juni um 18 Uhr im WLT-Studio statt.
WLT: Wie geht es dir und euch bei den Proben angesichts der aktuellen Situation?
Peter Krahl: Was natürlich total spannend ist: als wir dieses Stück vor fünf Wochen begonnen haben, da waren Leute, die den Keller mit Klamotten vollpackten, mit Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln, seltsame Menschen, die weit weg waren. Klar, man kennt vielleicht auch einen oder zwei im Bekanntenkreis oder hat mal irgendjemand getroffen, der so ein bisschen die Tendenz dazu hat, aber das sind Sonderlinge. Das ist die Ausnahme.
Und jetzt, kriegt das plötzlich eine ganz andere Aktualität.
WLT: Wovon handelt das Stück “Noah, der Prepper”?
Peter Krahl: Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es um Noah, einen Familienvater, der sich mehr und mehr zum Prepper entwickelt hat. Prepper kommt vom Englischen ‘ to prepare’; Menschen also, die sich auf reale oder vermeintliche Katastrophen und Weltuntergänge vorbereiten. Das geht von Sachen wie ‘der Strom fällt für eine Woche aus’ bis hin zu ‘Aliens und Zombies greifen mich an’. Er sitzt also in seinem Keller und hat sich sehr gut organisiert und macht permanent irgendwelche Übungen zu irgendwelchen Katastrophen. Seine Frau weiß davon, ist manchmal genötigt mit zu machen, steht dem Ganzen aber sehr kritisch gegenüber, bzw. hat die Haltung: “Ist ja eh alles gelogen, ist alles nicht so schlimm, gibt keine Katastrophe, gibt keine Klimaerwärmung“. Außerdem gibt es noch zwei Kinder, die bei „fridays for future“ unterwegs sind, der Sohn eher intellektuell, die Tochter eher kämpferisch, sowie eine Nachbarin, die als Selbstversorgerin lebt und auch noch involviert wird. Und diese verschiedenen Charaktere prallen halt irgendwann auf einander, in diesem Haus, in dem geheimen Keller.
WLT: Wie fühlt es sich an, wenn man beim Proben von der aktuellen Lage überholt wird? Wenn es in der Realität noch viel schlimmer ist?
Peter Krahl: Es ist schon spooky, wirklich spooky. Das Stück erscheint einem eigentlich so absurd. Und plötzlich wird die Absurdität so real. Ich meine, dass die Leute überall das Klopapier leer kaufen, ist absurd. Aber diese Absurdität kommt in der Realität an. Das macht es hochaktuell. Also könnten wir es aktuell hoch und runter spielen. Eigentlich müsste man das Stück genau jetzt spielen.
WLT: Hat sich die Stimmung während der Proben durch die Pandemie verändert? Ist es ernster geworden oder ist es vielleicht sogar lustiger geworden, weil um einen herum alles absurder geworden ist?
Peter Krahl: Inhaltlich hat sich da wenig geändert. Es ist fast ein bisschen lustiger geworden, weil alles, über was wir da reden, plötzlich so real ist und man so viele Beispiele in seiner Mitwelt findet. Aber auf Grund der Situation, dass die Kollegen nicht mehr tausend andere Sachen im Kopf haben (Vorstellungen und Wideraufnahmebroben), laufen die Proben sogar besser. Wenn sie da sind, dann sind sie es zu 100 Prozent. Es ist auch keiner dabei, der wegen der Situation in Panik gerät, auch das könnte ja sein.
WLT: Das Stück richtet sich sowohl an Jugendliche als auch an ihre Eltern. Wie wollt ihr denn beide gleichermaßen begeistern?
Peter Krahl: Ich glaube, dieses Stück kann mit folgendem Mechanismus funktioniert: nämlich, dass man es wirklich komplett als Komödie begreift und auch so inszeniert. Das heißt, dass man nicht Gefahr läuft – und die Gefahr ist immer da, auch bei einem Komödie-Stoff – zu moralinsauer zu werden, zu ernst, zu belehrend zu werden. Irgendwelche heiligen Kühe aufzubauen, die man nicht anfassen darf. Im Prinzip müssen alle Figuren überzeichnet werden in der Inszenierung, damit sie eben nicht belehrend daherkommt und sagt, ‘so, das ist die richtige und das die falsche Position’. Die Sachen mit der Figur des Preppers hat es gezeigt: Vor fünf Wochen fanden wir die alle total albern mit dem, was sie da im Keller macht, inzwischen nicht mehr ganz so… denn es ist in der Realität nun angekommen bei ganz, ganz vielen Leuten.
Dieser Inszenierungsansatz deckt sich auch mit meiner Philosophie von Theater, besonders von Jugendtheater. Theater soll keine Antworten geben, auch für Jugendliche nicht, denn dann wird es doof und langweilig und das braucht dann kein Mensch. Es soll die Zuschauer dazu bringen, Fragen zu stellen. Und von mir aus dürfen sie dann auch den Regisseur verdammen nach dem Stück, dass er nicht eindeutig für eine Figur Partei ergreift. Nein, wenn sie danach im Foyer stehen oder im Auto oder in der Bahn nach Hause fahren und dann darüber diskutieren, welche Figur denn jetzt Recht hat, welcher denn der richtige und welcher der falsche Weg ist, dann haben wir unsere Aufgabe mehr als erledigt. Wenn wir sie darüber hinaus, in der Zeit, in der sie im Theater sind, auch noch gut unterhalten – und es ist wie gesagt eine Komödie, wenn der Bauch weh tut vom Lachen, dann haben wir vieles richtig gemacht.