„Prima Facie“ fragt nach Recht bei Sexualdelikten – Premiere ist am 11. Juli

3.7.2025 – Am 11. Juli feiert das preisgekrönte Stück Prima Facie im Studio des Westfälischen Landestheater. Der Monolog handelt von Anwältin Tessa Ensler, die selbst Opfer einer Vergewaltigung wird. Die erfolgreiche Juristin zieht mit ihrem Fall als Betroffene vor Gericht – mit ernüchterndem Ausgang. Regisseur und WLT-Intendant Ralf Ebeling verrät gemeinsam mit Co-Regisseurin Carolin Leweling, warum das Solo-Stück so stark ist.

Ralf, du erarbeitest mit Schauspielerin Arikia Orbán den Monolog „Prima Facie“? Worum geht es aus deiner Sicht in dem Stück?

Ralf Ebeling: Es geht grundsätzlich um unser Rechtssystem. Sind Recht und Gerechtigkeit deckungsgleich. Hat das Gesetz mit Gerechtigkeit zu tun? Oder ist es vielleicht etwas ganz anderes? Durch die Geschichte wird diese Frage noch verschärft, am Beispiel von sexualisierter Gewalt. Es geht um eine Vergewaltigung in einer Beziehung oder einer beginnenden Beziehung. Da kommt es wirklich auf die Details an.

Warum ist das Stück aus eurer Sicht so spannend und stark?

Carolin Leweling: Für mich macht es aus, dass man an der Figur der Tessa sehr unmittelbar dran ist. Sie ist wahnsinnig lebendig und plastisch, dadurch, dass man ihre Gedanken und Gefühle wirklich sehr unmittelbar miterleben und nachempfinden kann als zuschauende Person – und die thematische Brisanz.
RE: Ich kann mich nur anschließen. Es ist sehr gut und geschickt geschrieben, weil wir wirklich emotional dabei sind. Es geht um ein wichtiges Thema, über das es sich lohnt, nachzudenken. Man ist fasziniert von der Figur und letztendlich auch von der Schauspielerin. Es gibt in dem Stück für eine Schauspielerin unglaublich viele starke Facetten und Momente zu spielen!

„Prima Facie“ ist von der australischen Autorin Suzie Miller geschrieben und spielt im englischen Justizsystem. Wie schafft ihr es, dass die Handlung auch aus deutscher Perspektive Relevanz hat?

RE: Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist, dass es Deutschland eher Berufsrichter sind in so einem Fall und im amerikanisch-englischen System eine Jury, die die Entscheidung trifft. Wir haben die Jury zwar noch im Stück gelassen, aber nur sehr dezent.
CL: Die grundlegenden Prinzipien im deutschen Rechtssystem sind ja trotzdem die gleichen wie zum Beispiel das Prinzip der Unschuldsvermutung oder der Satz: Das Gebot der logischen Konsistenz von Aussagen darf von keinem Gericht negiert werden.
RE: Die Kernfrage ist dabei dann: Wenn du selbst Betroffene bist von sexualisierter Gewalt: Wie logisch konsistent kann dann eine Aussage überhaupt noch sein?

Ihr arbeitet gemeinsam an der Inszenierung. Was macht es für euch aus, dass ihr sowohl aus männlicher als auch aus weiblicher Perspektive mit dem Stoff umgeht?

CL: Es ist ein besseres Gefühl jemanden weibliches dabei zu haben, um die Perspektive nicht nur durch Arikia als Frau auf der Bühne zu haben. Wir sehen so, ob die Punkte, die wir erzählen wollen, von außen sichtbar sind aus weiblicher Perspektive. Denn auch wenn Ralf wirklich sehr sensibel und offen an das Thema rangeht, gibt es trotzdem Aspekte, die ein Mann vielleicht gar nicht fassen kann, nicht nachvollziehen kann, eben weil er keine Frau ist und diese systematische Unterdrückung nicht erlebt hat.
RE: Es hat einfach die Situation gegeben, in denen ich gesagt habe: Ich würde das jetzt so und so machen als Mann. Und ich frage euch als Frauen. Wie würdet ihr das machen? Und ich sage euch auch vorher: Wenn ihr das anders machen wollt, dann machen wir das so, wie ihr das richtig findet. Das ist am Ende eine Frage, die ich als Mann nicht entscheiden kann.

Ein Monolog ist ein reizvolles Theaterformat. Was macht die Arbeit daran aus? Gibt es Besonderheiten, die ihr als Regieteam beachten müsst?

RE: Die Schauspielerin oder der Schauspieler muss gut sein. Aber im Grunde muss Theater ja immer an Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit arbeiten. Das Stück gibt eine Menge vor, weil die Schauspielerin noch eine Reihe anderer Personen spricht. Sie schlüpft kurz rein in die Jetztzeit, kommentiert und geht dann wieder in die Vergangenheit. Es ist sehr abwechslungsreich geschrieben.
CL: Durch die Monolog-Form können wir natürlich auf die Bedürfnisse der Schauspielerin viel besser eingehen in den Proben, weil wir uns ganz auf sie konzentrieren.

Worauf dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer ganz besonders freuen. Was sind aus eurer Sicht Highlights der Inszenierung – ohne zu viel zu verraten?

CL: Das Publikum darf sich auf eine emotionale Reise freuen, die man mit der Figur macht und die durchweg sehr beeindruckend ist. Und auf die schauspielerische Leistung, die das Publikum zu sehen bekommen wird. Ich freue mich sehr auf das Schlussplädoyer.
RE: Ich mag grundsätzlich solche Stücke, die sich nicht hinstellen und irgendwie eine Botschaft verkünden, sondern durch die glaubwürdige Geschichte, die glaubwürdige Konstellation und glaubwürdige Figur eine inhaltliche Auseinandersetzung und ein Nachdenken bewirken.

Die Premiere findet statt am 11. Juli 2025 um 20 Uhr im WLT-Studio. Die Tickets sind erhältlich online und an der Theaterkasse unter: 0 23 05-97 80 20 oder per E-Mail: tickets@westfaelisches-landestheater.de.

Fotos: Volker Beushausen