Der Oktober ist traditionell Krimizeit am Westfälischen Landestheater. Am 08. Oktober (Sonntag) feiert „Sörensen hat Angst nach dem gleichnamigen Roman von Sven Stricker seine Premiere. Und darum geht es: Ein Kommissar mit Angststörungen lässt sich in ein beschauliches Dorf in Nordfriesland versetzen und stolpert direkt in einen Mordfall. Nach „Tatortreiniger“ und „25 km/h“ ist „Sörensen hat Angst“ die dritte Adaption einer Vorlage mit Bjarne Mädel. Worauf das Kreativteam aus Regisseurin Karin Eppler und Ausstatter Philipp Kiefer bei der Bühnenfassung besonders viel Wert legen, haben sie uns im Interview verraten.
1) Was war für euch das Spannende an der Vorlage von Sven Stricker?
Karin Eppler: Mich interessiert vor allem die Krimi-Handlung, die einen Gemengelage menschlichen Elends mit sich bringt.Es ist nicht nur ein normaler Krimi, der uns mit der Frage konfrontiert „hier ist ein Mord und wer war das denn?“, sondern diese Krimi-Handlung bringt Figuren zutage, die so lebendig sind und die Licht- und Schattenseiten haben. Jede Figur bringt ihren eigenen kleinen Abgrund, ihr eigenes kleines Drama mit.
Gucken wir uns zum Beispiel die Hauptfigur an, den Kommissar Sörensen: Er lässt sich freiwillig versetzen in ein kleines Dorf, weil er an einer Angststörung leidet, die er schon ungefähr zwei Jahre hat. Und er erhofft sich mit dem beruflichen Wechsel viel, viel Ruhe. Aber das kennt man ja, immer wenn jemand Ruhe haben will und etwas dafür tut, dann kommt es vor, dass genau das Gegenteilige passiert. Er kommt in das kleine überschaubare Dorf Katenbühl und in dem Moment, wo er ankommt passiert auch schon der erste Mord. Und beim Durchdenken der Frage „wer kann denn das gewesen sein?“, stolpern wir als Zuschauer, zusammen mit den Figuren, über vieles Menschliches, allzu Menschliches, über Fragen, die in einem Dorf auftauchen: Wer trinkt denn da mal einen über den Durst? Und sind wirklich alle Vaterschaften im Dorf so klar wie wir das meinen?
„Sörensen hat Angst“ ist einfach ein toller Stoff fürs Theater, weil die Personen so moderne und lebendige Probleme der Gesellschaft mitbringen. Und immer wenn Stoffe toll sind ist es so, dass sich andere auch dafür interessieren, andere Künste, und so gibt es auch einen Film und ein Hörbuch.
2) Philipp, wie hast du das Buch für die Bühne transformiert?
Philipp Kiefer: Der Ausgangspunkt ist der Roman. Die Stückfassung, in diesem Falle von Karin Eppler verfasst, ist wie ein Destillat oder anders gesagt eine Kürzung auf Spielfilmlänge. Natürlich bietet der Roman ausführlich Material zu Orten und Menschen, das so in ganzer Länge im Stück nicht vorkommen kann. Das heißt, das Personal ist etwas verkleinert, Figuren sind gestrichen oder kommen nur am Rande vor. Das reduziert auch die Orte und Begegnungen. Es ist ein sehr schöner Vorgang aus einem Roman der neben Dialogen auch ausführlichen Beschreibungen und Situationsberichten folgt, die Topoi für ein Bühnenstück herauszufiltern und diese Situation auf der Bühne in Form eines Raumes und der Kostüme zu erarbeiten.
3) „Sörensen hat Angst“ ist eigentlich ein Krimi. Die Figuren und die Dialoge haben aber auch komische Momente. Der Fall wiederum behandelt ein sehr ernstes und heftiges Thema. Wie schwierig war diese Gradwanderung zwischen all diesen verschiedenen Stimmungslagen?
Karin Eppler: Für mich schließt sich eigentlich bei einem Krimi, einer Krimi-Handlung überhaupt nicht aus, dass das auch komische Momente hat. Denn immer dann, wenn wirklichen Menschen ermitteln, wenn wirkliche Menschen ins Spiel kommen und Probleme haben, das kennt man selbst, das speist sich nicht immer nur aus dem Drama. bq. bq.
Die Figuren in „Sörensen hat Angst“ an sich sind kein Komödienpersonal. Das Komische ergibt sich aus den Konstellationen und Situationen, die eine Leichtigkeit mit sich bringen. Das mag ich auch an der Vorlage, diese Gradwanderung. Natürlich ist sie schwierig, aber ich denke unbedingt nötig, dass wir als ZuschauerInnen richtig Lust haben an dem Stoff und mitgenommen werden.
4) Die Hauptfigur Sörensen leidet an Angststörungen. In der Leseprobe hattest du, Karin, gesagt, dass ¼ der Bevölkerung schon einmal betroffen war. Wie schafft man es, diese Störung glaubwürdig zu inszenieren?
Karin Eppler: Für die Beantwortung würde ich mir am liebsten jetzt den Guido (Thurk, er spielt den Kommissar Sörensen, Anmerkung der Redaktion) her wünschen, damit wir beide zusammen erzählen, wie man in einer Probenarbeit gemeinsam zu einem Ergebnis kommt. Als erstes ist es natürlich wichtig, dass man sich mit dem Krankheitsbild beschäftigt: Was gibt es für physische und psychische Reaktionen und Muster? Physisch zum Beispiel sind es Ohrgeräusche, ein kleiner Tinnitus, ein Druck auf der Brust, der wie ein Bleigürtel einschnürt. Das sind Dinge mit denen man sich dann körperlich auch auf der Probe auseinandersetzt. Im Theater hat man natürlich die Möglichkeit als SchauspielerIn solche Dinge zu verkörpern. Aber das Theater hat ja auch noch ein paar mehr Mittel, dass heißt wir können in dieser Inszenierung bei Sörensen die Angstzustände auch mitverfolgen, indem wir hören, was er dabei gerade empfindet, was er gerade fühlt. Da hat uns der Roman viele Vorlagen mitgegeben, mit denen wir arbeiten konnten.
5) Philipp, du hattest gesagt, dass die Ausstattung eine Herausforderung war, da es viele Ortswechsel gibt. Im Film ist das kein Problem, wie löst ihr das auf der Bühne?
Philipp Kiefer: „Eine schwarze Wolkenwand kommt auf Sörensen zu“, heißt es an einigen Stellen im Roman. Diesen Vorgang und dieses literarische Motiv habe ich auf die Bühne gestellt. Die gemalte schwarze Wolkenwand ist Stimmungsbild und Hintergrund, sowie die Folie vor der sich die Dorfbewohner begegnen. Eine leuchtend grüne, längliche kubische Form markiert den „Deich“. Aus dieser Landschaft heraus, schälen sich die jeweiligen Tatorte. Es gibt an die 40 Ortswechsel. Um jetzt nicht komplett 40 Umbauten zu haben, tragen die Schauspieler in ihren Rollen und Kostümen den jeweiligen Ort und auch ihre „Funktion“ mit hinein und setzen je nach Situation und Bedarf die Kuben in die richtige Position.
Durch die Bewegung der Wolkenwand atmet der Raum mit und suggeriert Weite oder auch Enge.
Der rote Faden den ich gefunden habe, ist ein grüner Faden geworden. Alle Figuren (außer Sörensen und sein Vater) tragen etwas vom „Deich“ an sich. Ein kompletter Fernsehrealismus ist mir etwas zu langweilig, und ich habe nach einer gestalterischen Herausforderung und inhaltlichen Komponente gesucht. Ich arbeite gerne mit den beiden Begriffen Kultur und Natur. Die grüne Farbe verbindet den Menschen mit der Natur aus der er herauskommt.Am 08. Oktober feiert „Sörensen hat Angst in der Stadthalle Castrop-Rauxel um 18 Uhr Premiere.
Eine weitere Vorstellung findet am 21. Oktober 2023 um 20 Uhr im Studio statt. Karten sind unter Tel.: 02305 978020 oder per E-Mail an tickets@westfaelisches-landestheater.de.