Cabaret: Markus Kopf und Tankred Schleinschock im Interview

5.6.2024 – Regisseur Markus Kopf und Tankred Schleinschock, Musikalischer Leiter des WLTs, feiern am 14. Juni mit Cabaret Premiere bei „Bühne raus …!“ im Parkbad Süd. Erstmals gibt es eine Vorpremiere am 7. Juni in der Stadthalle Castrop-Rauxel. Im Interview sprechen die Künstler darüber, warum das Stück aktuell so interessant ist.

WLT: Du hast Cabaret vor langer Zeit schon mal inszeniert. Wie unterscheidet sich dein jetziger Ansatz von deiner damaligen Inszenierung?

Markus Kopf: Das war damals eine Großproduktion am Stadttheater Münster. Ich hatte zwölf Tänzer und ein Orchester, also eine relativ anspruchsvolle Ausstattung. Jetzt müssen wir als tourendes Landestheater mit geringeren Möglichkeiten auskommen. Daraus ergab sich aber ein Gewinn, was uns in der Vorbereitung relativ schnell klar geworden ist. Wenn man von einer Stadttheater- oder einer Broadway-Inszenierung ausgeht, dann landet man ja schnell in einem sehr gefälligen Ambiente. Das ist hier zwangsläufig nicht da und da macht, wie es bei Goethe heißt, die Begrenzung erst den Meister. In der jetzigen Situation sind zum Beispiel Doppelbesetzungen notwendig. Wir haben den Conférencier, gespielt von Léon van Leeuwenberg, eine Show-Rolle. Indem er auch die Prostituierte Fräulein Kost spielt, erfährt diese eigentlich etwas belanglose Figur eine Aufwertung. Wir denken die ganze Inszenierung als Kleinkunstveranstaltung in einem Berliner Kellertheater. Von da aus wird die Geschichte erzählt. Alle Erzählerfiguren sind auch Ensemble-Mitglieder dieses kleinen Cabarets. Und dadurch bekommt das eine ganz andere Frische und wie ich finde, eine Aktualität. Auch die Band klingt anders, als wenn ich ein großes Ensemble habe. Es klingt schmutziger, trashiger, punkiger und kriegt eine andere Reibung.

Welche Rolle spielt die aktuelle gesellschaftliche Situation für eure Arbeit?

Tankred Schleinschock: Die literarische Vorlage für Cabaret ist in den 1930er Jahren geschrieben worden von Christopher Isherwood. Das Interessante dabei ist: Wir sehen ja heute immer von hinten nach vorne auf den Faschismus. Christopher Isherwood wusste aber noch gar nicht, wo das hingeht. Der hat nur Atmosphären und Stimmungen mitbekommen, die er teilweise beängstigend, erschreckend fand. Er ist nach Berlin gegangen, weil es dort in den 1920er-Jahren so ein pulsierendes Leben gab. Und wo er als Homosexueller tatsächlich auch eine Freiheit erfahren konnte. Das heißt: Wenn da jetzt ein Nazi auftaucht in der Situation Ende der 1920er-Jahre, dann wirkt das auf die Person natürlich ganz anders als auf uns, die wir wissen: Das ist ein Nazi. Bei uns sind dann Auschwitz und alles im Hinterkopf. Das Interessante ist, dass wir aktuell oft Parallelisierungen vornehmen mit der Situation in den 1930er-Jahren. Aber letztlich wissen wir nicht, wo unsere Situation konkret hinführt. Aber es gibt diese erschreckenden Momente. Und das ist in dem Stück drin, dieses: Wir wissen noch nicht, wo es landet.

Das Zentrum des Bühnenbildes von Manfred Kaderk ist eine Anlehnung an das Brandenburger Tor. Welche Bedeutung hat das für die Inszenierung?

Markus Kopf: Das ist natürlich der Griff in die Gegenwart: dieses untergehende Brandenburger Tor. Es ist eine aktuelle politische Anspielung: Wie steht es mit unserer Demokratie? Tankred hat das aber auch schon sehr präzise formuliert, indem er sagt: Wir wissen ja nicht, wie es weitergeht und laufen alle mit unseren Sorgen, Ängsten und Befürchtungen herum. Und das ist eine, zumindest was die Befindlichkeit der Menschen angeht, ähnliche Situation wie in den 1920er-Jahren. Auch mit der wirtschaftlichen Not, die sich natürlich noch sehr unterscheidet von den 20er-Jahren. Aber die Leute haben Sorgen und ich sage mal: Das Schiff Deutschland ist halb untergegangen in unserem Bühnenbild. Das ist das Zeichen, das Manfred sehr früh gefunden hat und das ich ganz toll finde.

Warum sollte sich das Publikum eure Inszenierung von Cabaret anschauen?

Tankred Schleinschock: Also abgesehen davon, dass die Geschichte spannend und interessant ist, verstehen es amerikanische Autoren wirklich, Szenen zu schreiben. Das macht Spaß, wenn man merkt, dass in jeder Szene immer so ein bestimmter Moment ist, der wichtig und spannend ist, der die Sache auf den Punkt bringt, und den muss man herauskitzeln. Ich zitiere dich jetzt ein bisschen, Markus – das hast du häufiger gesagt: Dann fängt die Szene an zu blühen und wird hochinteressant. Und die Musik ist großartig, das ist ein Pfund und wir haben hervorragende Sänger. Sie bringen die Musik zum Strahlen.

Karten für die einzelnen Vorstellungen sind an der Theaterkasse des WLTs 02305-97 80 20 oder unter tickets@westfaelisches-landestheater.de sowie online erhältlich. Ticketpreise: Cabaret 35 Euro (ermäßigt 25 Euro), Alice im Wunderland 11 Euro, ermäßigt 9 Euro.

Cabaret: Vorpremiere am 7. Juni in der Stadthalle um 20 Uhr und am 14. und 15. Juni 2024 jeweils um 19.30 Uhr bei „Bühne raus …!“ im Parkbad Süd

Alice im Wunderland: 16. Juni 2024 um 14 Uhr bei „Bühne raus“ im Parkbad Süd.

Im Bild von links: Markus Kopf, Tankred Schleinschock

Foto: WLT/Nadja Juskowiak