"Märchen können auch heute passieren."

Interview mit Regisseur und musikalischem Leiter Tankred Schleinschock und Ausstatterin Anja Müller.

WLT: Für alle, die die Geschichte nicht kennen. Worum geht es?
Tankred Schleinschock: Wir erzählen die Geschichte von Dorothy. Sie lebt in Kansas, einem verschlafenen und langweiligen Staat der USA. Doch dann landet Dorothy nach einem Sturm in Oz, wo sie gemeinsam mit dem Blechmann ohne Herz, der Vogelscheuche ohne Verstand und dem ängstlichen Löwen eine turbulente Reise unternimmt. In die heutige Zeit übersetzt, kann man von einer Art Road-Movie sprechen. Das, was Dorothy erlebt, kann wahre Zauberei sein oder einfach nur ein Traum. Das können unserer Zuschauer*innen selbst entscheiden.

WLT: Warum ist „Der Zauberer von Oz“ auch heute noch aktuell?
Tankred Schleinschock: Sowohl das Buch als auch der Film sind schon einige Jahre alt, aber ich habe meine Inszenierung – so wie ich es immer mache – in die heutige Zeit versetzt. Dorothy macht sich in Oz auf den Weg und hat ein bestimmtes Ziel vor Augen: den Zauberer von Oz finden. Auf dieser Reise trifft sie die verschiedensten Charaktere, gewinnt neue Freunde und stellt sich allerlei Gefahren. Ich möchte zeigen, dass nicht nur das Ziel wichtig ist, sondern auch der Weg dahin. Dass es wichtig ist, nach links und rechts zu schauen und diejenigen wahrzunehmen, die uns begleiten. Und dass Märchen auch heute passieren können.

WLT: Ganz nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel! Ist das Stück – vielleicht auch gerade deshalb – etwas für Erwachsene?
Tankred Schleinschock: Auf jeden Fall! Wenn ich Kindertheater mache, ist es für mich entscheidend, dass die ganze Familie Spaß hat. Ich achte immer darauf, dass es etwa auch Späße oder Wortspiele gibt, die die Eltern lustig finden. Andersherum gibt es natürlich auch Szenen, die mehr auf den Humor der Kinder abzielen. Es wird für Groß und Klein ein unterhaltsamer Nachmittag werden.

WLT: Du hast die Fassung selbst geschrieben. Wie nah bist du an der Vorlage geblieben? Was ist anders?
Tankred Schleinschock: Für unsere Inszenierung musste ich einige Stellen kürzen, da das Buch viel länger ist. Ich habe aber auch einiges neu erfunden. Die beiden Hexen etwa, die gute Hexe des Nordens und die böse Hexe des Westens, sind in meiner Fassung viel prominenter. Auch das Ende ist anders, aber das verrate ich hier natürlich noch nicht.

WLT: Stichwort böse Hexe: Werden unsere jüngsten Zuschauer*innen sich gruseln?
Tankred Schleinschock: Es gibt sicherlich die eine oder andere Stelle, an der es etwas unheimlich wird. Das gehört auch dazu. Grundsätzlich finde ich die Idee der strikten Trennung von Gut und Böse, die in Märchen oft vermittelt wird, aber überhaupt nicht gut. Niemand ist durch und durch Gut oder durch und durch Böse. Das möchte ich in meiner Inszenierung zeigen.

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WLT: Anja, du hast schon häufig Produktionen im Kindertheater mit Tankred zusammen gemacht. Worauf hast du diesmal bei dem Bühnenbild besonders Wert gelegt?
Anja Müller: Das Stück beginnt im US-Bundesstaat Kansas, der durch ein uraltes amerikanisches Werbemittel, dem Billboard (Anmerkung: sehr große Plakatwand, die häufig an viel befahrenen Straßen steht), dargestellt wird. Mir war es wichtig, dass aus diesem Inhalt, der auf dem Billboard abgebildet ist, die neue Welt „Oz“ entsteht. Wenn man genau hinschaut, kann man in Oz Teile des Billboards wiedererkennen, etwa der gelbe Weg, die Smaragdstadt oder die Steppe des Löwen. Die Spielorte unterscheiden sich ästhetisch voneinander, aber man findet all diese Orte eben auch schon zu Beginn des Stücks. So ergibt sich ein großes Ganzes.

WLT: Gilt das auch für die Kostüme?
Anja Müller: Genau. Aus den Freunden von Dorothy zu Beginn des Stücks entwickeln sich die Figuren des Löwen, der Vogelscheuche und des Blechmanns. Auch hier lassen sich Teile wiedererkennen, obwohl die Kostüme der Freunde absolut heutig sind. Der Blechmann bezieht sich ebenfalls auf das Billboard, auf dem ein Pick-Up Chevrolet abgebildet ist. Das Kostüm des Blechmanns besteht aus Teilen dieses Wagens, bis hin zum Rückspiegel und zu den Scheinwerfern.

WLT: Das Kostüm des Blechmanns ist aus einem speziellen Material. Kannst du mehr dazu erzählen?
Anja Müller: Das Material verwenden die Cosplayer (Anmerkung: wörtlich übersetzt „Kostümspiel“, ein aus Japan stammender Kostümtrend der Manga- und Anime-Szene). Es wurde in der Szene in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren entwickelt. Das WLT arbeitet zum ersten Mal damit. Die Mitarbeiterinnen der Schneiderei haben sich da mit vollem Elan heran begeben. Ein Kostüm aus diesem Material herzustellen, ist sehr aufwendig, da es ein Zwei-Schichten-System ist, das miteinander verklebt werden muss. Um es dreidimensional zu formen, muss man mit einem Heißluftföhn arbeiten. So kann man aber wirklich jede Form hinbekommen, die man möchte. Das ist mit Stoff nicht möglich. Da wir – besonders im Kinder- und Jugendtheater – schnelle Umzüge haben, muss das Kostüm ohne großen Aufwand anzuziehen sein. Das Kostüm des Blechmanns ist deshalb mit Stoff unterfüttert. In der Herstellung war es wirklich sehr zeitaufwendig, aber das hat sich gelohnt.

WLT: Du übernimmst auch die musikalische Leitung. Welche Songs wird es geben?
Tankred Schleinschock: Wie immer sind während der Proben mehr und mehr Lieder dazugekommen. (lacht) Jetzt haben fast alle Figuren ihren eigenen Song. Auch der bekannte Titelsong „Somewhere over the rainbow“ darf nicht fehlen – nur ist er bei uns etwas anders interpretiert. Außerdem hat Barbara Manegold mit dem Ensemble wieder tolle Choreographien entwickelt.

Die Premiere von Der Zauberer von Oz feiert das WLT am Sonntag, 27. Oktober um 15 Uhr in der Stadthalle Castrop-Rauxel.

Karten zum Preis von 11€ (erm. 9€) gibt es an der Theaterkasse:
Maximilian Bock, 02305 – 978020 oder bock@westfaelisches-landestheater.de.

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