Am 09. Oktober 2022 feiert das Westfälische Landestheater die erste Premiere in der Spielzeit 2022/2023. Mit Liebes Kind bringt das WLT den gleichnamigen Bestsellerroman von Romy Hausmann auf die Bühne. Im Vorfeld haben wir uns mit Regisseur und Ausstatter Thomas Tiberius Meikl und Co-Regisseur Maximilian von Ulardt zu einem Gespräch getroffen:
WLT: Nach „München Komplott“ und „Blackout“ ist „Liebes Kind“ eure dritte Zusammenarbeit und zugleich eure dritte Kirmiinszenierung am WLT.
Thomas: Dass es immer Krimis waren, ist eher Zufall. Aber natürlich würden wir auch gerne einmal eine Komödie zusammen inszenieren. (Beide lachen) Die Zusammenarbeit mit Max ist einfach gut. Wir sind beide sowohl Schauspieler wie Regisseure und kennen somit beide Seiten, was ich persönlich schön finde. Die Zusammenarbeit ist ein Mehrwert, weil wir verschiedene Erfahrungen mitbringen. Im Zusammenspiel sieht einer das, was der andere nicht sieht.
Maximilian: Tom und ich haben uns vor 6 Jahren am WLT kenngelernt. Ich wollte in meiner Zeit als fest engagierter Schauspieler am WLT unbedingt mal eine Regieassistenz machen. Das war dann bei Tom möglich. So ging das Ganze los. Jetzt bei „Liebes Kind“ sind wir zusammen mit Rabea Stadthaus und Alec Barth (Video) sogar ein Viererteam. Es ist immer schön, wenn man einen Austausch hat und die Dinge nicht nur alleine sieht. Aber natürlich triff Tom als Regisseur am Ende die Entscheidungen.
WLT: Mit „Liebes Kind“ inszeniert ihr den Bestseller von Romy Hausmann. Erzählt etwas über die Geschichte. Was ist euch wichtig?
Thomas: Romy Hausmann und Bestseller, da denkt man schnell, dass das schon passt und man das einmal lesen kann – vielleicht auch als Urlaubslektüre. Aber dann liest man den Roman und merkt, dass neben der Krimihandlung noch etwas anderes am Start ist. Nämlich das Thema der Gewalt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie man das am besten auf die Bühne bringen kann. Romy Hausmann hat sich an die Fälle von Natascha Kampusch und Josef Fritzl angelehnt, wie sie uns persönlich mitgeteilt hat. Somit ist der Roman nicht nur reine Fiktion. Uns war bewusst, dass wir deswegen anders an die Inszenierung herangehen müssen. Wir thematisieren Gewalt und Kontrolle, ob man damit persönliche Erfahrungen hat oder nicht, jeder Mensch kann da andocken. Deswegen muss man das nicht erklären. Das trifft vor allem auf Frauen zu, was uns bei der Arbeit zu „Liebes Kind“ noch einmal ganz deutlich wurde. Leider sind die gesellschaftlichen Strukturen immer noch so, dass Frauen nach wie vor Objekte in den Augen vieler Männer sind. Mir ist es wichtig, dass wir bei der Inszenierung die Opfersicht zeigen und nicht, wie es dem Täter geht.
Maximilian: Bei „Liebes Kind“ versuchen wir den Spagat zu schaffen, einen Bestseller spannend und unterhaltsam zu erzählen, aber auch etwas mit diesem Bestseller zu transportieren. Theater ist für mich immer ein Raum, der Leuten zeigen kann, wie man vielleicht etwas verbessern kann. Für mich als Mann waren viele Dinge dennoch neu, mich hat die Arbeit sensibilisiert. Mir war nicht bewusst, in wie vielen Lebensbereichen Frauen Gewalt oder Übergriffe widerfahren.
WLT: Wie nähert man sich diesem ernsten und wichtigen Thema an und wie seid ihr als Team damit in den Proben umgegangen?
Thomas: Wir haben uns alle zusammen eine Dokumentation angesehen und viel darüber geredet, was Gewalt für uns persönlich bedeutet. Bei einer Probe war die Chefin des Frauenhauses in Castrop-Rauxel, Katrin Lasser-Moryson, zu Gast und hat uns aus ihrem Alltag erzählt. „Liebes Kind“ ist ein Krimi, der zum Nachdenken anregt und viele Impulse gibt. Das unterscheidet ihn vielleicht von anderen Krimis.
Maximilian: Grundsätzlich ist es ja eine Geschichte, die Romy Hausmann geschrieben hat und wir zeigen nicht unsere persönlichen Erfahrungen auf der Bühne. Schön wäre es, wenn die Zuschauer*innen nach der Vorstellung nicht nur sagen, dass sie eine spannende Geschichte gesehen haben, sondern dass sie auch etwas für sich mitnehmen können.