"Was heute unbekannt ist, ist vielleicht morgen ein Freund."

Interview mit Regisseurin Frances van Boeckel zum neuen Kinderstück “Gespensterjäger auf eisiger Spur”.

WLT: Wie waren die Proben – angesichts der neuen Herausforderungen – für dich?
Frances van Boeckel:
Für mich waren die Plastikmasken, mit den die Schauspieler*innen spielen müssen um niemanden anzuspucken sehr gewöhnungsbedürftig. Die Schauspieler*innen waren des öfters dazu geneigt den Kopf nach hinten zu halten, sonst hätten sie durch die Lichtreflexionen nichts sehen können. Das sah natürlich etwas befremdend aus. Auch sah man teilweise ihre Augen nicht, bedingt durch die Reflektionen. Bei den Plastikmasken, die sie jetzt tragen, ist das Problem größtenteils behoben. Oder ich habe angefangen mich daran zu gewöhnen. Ästhetisch ist das Visier natürlich in keinerlei Weise.

Wo ich wirklich gefordert war, war bei den Abstandsregeln. Wie sollte ich eine Szene mit Abstand realisieren, wo es eigentlich kein Abstand geben sollte?

Für eine Nicht-Corona-Fassung, folglich eine Aufführung wobei die Schauspieler*innen sich erneut nähern und anfassen dürfen, fand ich im Probeprozess bald keine Lösung mehr. Es würde immer ein Kompromiss bleiben und mich auch immer wieder stören, diese Kompromisse sehen zu müssen. Denn wann diese Corona-Regeln aufgehoben werden, weiß eh keiner. Ich habe mich sodann entschieden die Notlösung beiseite zu schieben und das Stück ganz ohne Kompromisse zu inszenieren.

WLT: Besser als gar nicht spielen zu können.
Frances van Boeckel:
Absolut. Auch mit den Corona-Maßnahmen kann man eine spannende Geschichte auf die Bühne bringen.

Für die Schauspieler*innen ist es aber eine ziemliche Herausforderung mit den Plastikmasken spielen zu müssen. Es kann zu Schwindel und Kopfschmerzen führen und riechen tut es darunter nach einer Probe oder einem Ablauf auch nicht sonderlich gut. Durch das ständige Säubern und Desinfizieren entstehen zudem Kratzer und man kann nicht endlos durch das Plastik schauen ohne ein wenig verrückt zu werden. Aber die Schauspieler*innen sind sagenhaft. Sie machen alles eisern und ohne zu meckern mit. Wir haben das Glück, zwei Schauspieler*innen dabei zu haben, die zusammenleben, die dürfen sich auf der Bühne näherkommen und auch anfassen.

WLT: Gutes Stichwort: Theater in Corona-Zeiten. Was wird das Publikum hier speziell erwarten?
Frances van Boeckel:
Schauspieler*innen mit Plastikmasken vor dem Gesicht und Abstandsregeln so gut wie es geht.

Das Publikum wird es vermutlich nicht als fremd oder störend empfinden, wenn sie die Schauspieler*innen mit der Maske auf der Bühne sehen. Im tagtäglichen Leben sind Menschen mit Masken auch keine Besonderheit mehr. Die Tatsache endlich wieder ins Theater gehen zu können, wird hoffentlich überwiegen.

WLT: Was gefällt dir besonders gut an der Geschichte „Gespensterjäger auf eisiger Spur“? Und warum?
Frances van Boeckel:
Tom, der Protagonist unserer Geschichte, versucht seine Angst zu bekämpfen und wächst dabei über sich hinaus. Und findet dabei sogar einen Freund. Tom hat Angst vor Gespenstern, bei anderen Kindern ist es die Angst vor etwas Anderem. Ich denke, man muss immer versuchen, sich seiner Angst zu stellen. Es ist natürlich schön, wenn man sich jemandem anvertrauen kann, der dich ernst nimmt und der dir hilft gegen die Angst vorzugehen. Bei Tom ist das Frau Kümmelsaft, die Gespensterjägerin. Mit ihrer Hilfe versucht Tom sich seiner Angst zu stellen und wird mit jedem Mal etwas mutiger und selbstbewusster. Und entdeckt, dass die Dinge einer komplett anderen Richtung nehmen, als er sich jemals hätte vorstellen können.

WLT: Das klingt nach Spannung! Wie gruselig wird es?
Frances van Boeckel: Gruseln ist unheimlich, lebt von der Spannung und sollte nicht böse oder grob sein. Im Gegenteil, mit Spaß und Komik macht Gruseln zweimal mehr Spaß! Die Mischung macht es und wer weiß, was heute etwas Unbekanntes oder ein Gespenst ist, ist vielleicht morgen ein Freund.

Gespensterjäger auf eisiger Spur_Volker Beushausen_1 

WLT: Wie schafft ihr es, diese gruselige Atmosphäre auf der Bühne umzusetzen? Die Premiere wird ja freilichtig sein.
Frances van Boeckel: Das ist eine tolle Herausforderung! Daher werden wir die Spannung mehr über das Spiel und das Bühnenbild erzeugen und mit der Erwartungshaltung des Publikums spielen. Zum Glück haben Kinder viel Fantasie und leben sich gut in Geschichten ein. Gleich passiert etwas, aber wann, wie und was? Wenn diese Spannung auch noch untermauert wird, von schauriger gespenstischer Musik und geisterhaften Kostümen kommt das Fürchten von ganz alleine.

WLT: Wird das junge Publikum wieder direkt angesprochen?
Frances van Boeckel: Selbstverständlich. Man kann nicht so tun, als gäbe es das junge Publikum nicht. Man muss sie direkt miteinbeziehen. Nur so teilen das junge Publikum und die Schauspieler*innen dieselbe Geschichte, am selben Ort und zur selben Zeit.

WLT: Auf welche Highlights können sich die Zuschauer*innen freuen?
Frances van Boeckel: Auf tolle Schauspieler*innen, die die Geschichte mit vollem Einsatz auf die Bühne bringen. Auf ein tolles Bühnenbild von Jeremias Vondrlik. Auf tolle Kostüme von Rabea Stadthaus. Darauf kann sich das Publikum freuen.

WLT: Das Stück eignet sich für die ganze Familie? Warum?
Frances van Boeckel: Ich finde es wichtig, dass es nicht nur für ein junges Publikum ist, sondern dass auch Eltern, Großeltern und ältere Geschwister sich in dem Stück wiederfinden können. Ob sie nun ernst genommen, angeregt oder berührt werden, für alle Altersgruppen ist etwas dabei. Überdies ist Angst ein universelles Thema. Egal wie alt du bist, eines Tages kann jeder damit konfrontiert werden. Denken wir nur an Corona. Ich selber habe übrigens Angst davor unter Wasser zu sein. Und vor Haien. Dabei bin ich schon lange über 40.

WLT: Was war eigentlich der Grund, dass jede Figur eine eigene Farbe beim Kostüm hat?
Frances van Boeckel: Eine Gespenstergeschichte hat für mich mit Licht und Dunkelheit zu tun. In „Gespensterjäger auf eisiger Spur“ geht es um zwei Hauptarten von Gespenstern. Da war mir auf Anhieb klar, dass wir mit den Farben Schwarz und Weiß etwas machen sollten. Zudem wird im Buch von Cornelia Funke die Farbe Rot als abschreckende Farbe gegen Gespenster eingesetzt. Der Gespensterjägerin in der Geschichte diese Farbe zuzuteilen war dann eindeutig. Und so haben wir entschieden, den jeweils anderen Figuren auch eine eigene Farbe zu geben. Dennoch gehören sie zusammen, die Figuren so wie die Farben.

WLT: Zu guter Letzt. Hast du als Kind eigentlich an Gespenster geglaubt?
Frances van Boeckel: Ja, sehr sogar. Immer wenn ich abends in meinem Bett lag. Es gab das „Hinter der Tür“-Gespenst, und das „Über mir auf dem Dachboden“-Gespenst. Mehr Angst hatte ich aber vor dem „Hinter der Tür“ Gespenst. Ich denke es war sauer, weil es immer mit dem Spuken warten musste, bis die Tür von meinem Zimmer zu war. Das “Über mir auf dem Dachboden“-Gespenst war eher unschuldig. Davor habe ich mich nicht richtig gefürchtet. Das „Hinter der Tür“-Gespenst war fast fluoreszierend hell, obwohl ich das Wort damals nicht kannte und kam mir oft gefährlich nahe. Aber merkwürdigerweise niemals zu nah. Es lag immer nur eine gespenstische Bedrohung im Raum. Ich habe nie geschrien, nach meinen Eltern gerufen oder es irgendjemandem erzählt. Als ob ich intuitiv wusste, dass es mit einem Erwachsenen im Zimmer oder einem Mitwisser sofort verschwinden würde. Und das wollte ich nicht. Irgendwie, aber das bleibt unter uns, fand ich es ganz schön aufregend mich zu gruseln. Und es war mein Gespenst, meins, von keinem anderen!

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