Herzlichen Dank an Anja Müller

28.8.2024 – Die Bühnen- und Kostümbildnerin Anja Müller entwarf seit 2012 für 20 WLT-Produktionen die Ausstattung. Ab der Spielzeit 2024/2025 wechselt sie in die Kostümleitung am Theater Hagen. Das Westfälische Landestheater sagt danke und hat sie zum Abschied gefragt, was ihre Sternstunden am WLT waren und warum sie ihren Beruf so liebt.

WLT: Liebe Anja, an welche WLT-Produktionen, die du als Ausstatterin gestaltet hast, erinnerst du dich besonders gerne?

Anja Müller: Sehr gerne erinnere ich mich an die Produktionen mit Tankred Schleinschock, da ich musikalische Produktionen sehr mag. Es waren alles gelungene Kombinationen aus Kinder- und Jugendtheater mit dem Musiktheater. Für diese Genres ist es einfach schön, sich mit dem Bühnen- und Kostümbild in sehr fantasievolle oder auch abstrakte Welten zu begeben und diese für das Stück zu visualisieren. Die Produktionen „Der kleine Wassermann“, „Der Zauberer von Oz“ und „Die Schöne und das Biest“ habe ich alle sehr gemocht. An den Produktionen mit dem Regisseur Christian Scholze schätze ich den hohen Anspruch an zeitgenössische, politische und soziale Themen. Daran habe ich besonders gerne und mit einem Heidenrespekt vor den Themen gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Christian hat mir viele visuell abstrakte und spannende Bühnenbildentwürfe ermöglicht.

Wie kann sich ein Laie deine Arbeit als Bühnen- und Kostümbildnerin vorstellen?

AM: Wenn der Auftrag erteilt ist, fange ich damit an, das Textbuch zu lesen und währenddessen erste Ideen zur Bühne oder auch den Kostümen zu entwickeln. Dann setze ich mich mit der Regie zusammen und wir tauschen uns zu unseren Ideen aus. Meistens nähert man sich an und findet einen gemeinsamen Weg. Dann sitze ich an meinem Arbeitstisch, skizziere und beginne mit dem Modellbau fürs Bühnenbild, um zu sehen, was technisch und ästhetisch funktioniert. Das ist eine ganz wichtige Phase in der Ideenfindung. Nachher im weiteren Gespräch mit der Regie erfährt dieser Ansatz im besten Fall Zustimmung und weitere Anpassungen und Ideen. Zu Hause habe ich eine kleine Modellbauwerkstatt. Das Wichtigste sind: Pappe, Farbe, Cutter in allen möglichen Variationen, Klebstoffe und ein großer Fundus an unterschiedlichen Materialien und kleinen Bauteilen.

Ich baue den Entwurf in klein so genau, dass ich die Materialität und Farbigkeit für die Werkstätten abbilde und fertige dazu später technische Zeichnungen an. Dieses Ergebnis wird vor Produktionsbeginn in Form einer Bauprobe auf der Bühne in seinen Ausmessungen getestet und für machbar erklärt, bevor es in den einzelnen Werkstätten wie der Schreinerei, Schlosserei, dem Malsaal und der Requisite angefertigt wird.
In der Produktionsphase bin ich dann sehr viel vor Ort in den Werkstätten, um zu schauen, wie es umgesetzt wird. Für die Kostümabteilung zeichne ich Entwürfe, die sogenannten Figurinen. Diese können auch in Form von Recherche-Fotos oder Collagen erstellt werden. Teilweise entstehen Kostüme auch direkt aus dem Kostümfundus, aus dem sie zu dramaturgisch passenden Sets für die einzelnen Rollen zusammengestellt werden. Am meisten Spaß machen natürlich neue Kostüme, die komplett nach den Figurinen angefertigt werden und mithilfe von Anproben zur Aufführungsreife gebracht werden.

Was schätzt du an der Arbeit am WLT?

AM: Ich habe es hier sehr geschätzt, wie die Kommunikation und die Zusammenarbeit am Haus funktionieren. Bei jedem Arbeitsbesuch durfte ich mich über die große Veränderung an den aktuellen Arbeiten erfreuen und habe mich immer sehr willkommen gefühlt. Am WLT geht es immer in großen Schritten voran. Die Freude und Neugierde auf den jeweils nächsten Entwurf ist an diesem Haus ganz besonders zu spüren. Als Gast werde ich ja eingeladen, mit den Mitarbeiter*innen zusammenzuarbeiten und es macht sehr viel Spaß, mit so motivierten und zugewandten Kolleg*innen arbeiten zu dürfen. Ich habe mich immer sehr wohl an diesem Haus gefühlt.

Warum wechselst du in eine Festanstellung?

AM: Jetzt war ich 25 Jahre selbstständig. Ich habe viel erleben dürfen, aber nun leider auch die Coronazeit, die viel Bewusstsein für die Unwägbarkeiten dieser Freiberuflichkeit (Stichwort Soloselbständige) geschaffen hat. Ja, positiv ist: Man kann seine zeitlichen Tagesabläufe teilweise selbst gestalten, aber es gibt keine Garantie für Aufträge. In meiner Position ist man sehr abhängig von den Netzwerken und teilweise auch von der Auftragslage der Theater und Regisseure. Mit der Stelle in Hagen war es jetzt auch ein bisschen ein Zufall. Ich hatte diesen Seitenwechsel nicht von langer Hand geplant. 2023 konnte ich durch den Einstieg in die Kostümleitung bei den Gandersheimer Domfestspielen Einblick in die Tätigkeit der Abteilungsleitung und das Personalwesen für den Kostümbereich erfahren. Das Theater Hagen ist mit seiner Nähe zu meinem Wohnort Wuppertal attraktiv und ich hatte in den letzten Jahren intern viele positive Rückmeldungen über das Arbeiten an diesem Haus erhalten. Als die Stellenanzeige erschien, habe ich mich spontan beworben und es hat gepasst.

Was ist das Schönste an deinem Beruf?

AM: Abgesehen von der Möglichkeit, dass eigene Entwürfe 1:1 umgesetzt, gebaut, geschneidert, geschlossert, beleuchtet und schlussendlich öffentlich gezeigt werden, ist es vor allem die Zusammenarbeit vieler Menschen, die alle gemeinsam auf das große Ziel der Premiere hinarbeiten. Das ist Kommunikation und Teamarbeit pur.

WLT-Produktionen, in denen Anja Müller als Ausstatterin Bühne und Kostüm gestaltet hat.

2012 Vor Wien, Regie: Christian Scholze
2014 Call Shop, Regie: Christian Scholze
2014 Tschick, Regie: Katrin Herchenröther
2015 Der Prozess, Regie: Christian Scholze
2016 Stones, Regie: Katrin Herchenröther
2016 Der kleine Wassermann, Regie: Tankered Schleinschock
2016 Passagier 23 (Kostümbild), Regie: Lothar Maninger
2017 Spiegelblicke, Regie: Katrin Herchenröther
2017 Die Schöne und das Biest, Regie: Tankered Schleinschock
2018 Mama Muh, Regie: Katrin Herchenröther
2019 Verräter, Regie: Christian Scholze
2019 Der Zauberer von Oz, Regie: Tankred Schleinschock
2020 Die Bremer Stadtmusikanten, Regie: Kristoffer Keudel
2021 Die Konferenz der Tiere, Regie: Frances van Boeckel
2021 Dunkle Mächte, Regie: Christian Scholze
2022 Jenseits des Echos, Regie: Christian Scholze
2022 Das Pubertier, Regie: Kristoffer Keudel
2023 Man muss für Werte eintreten – Der Mord an Walter Lübcke, Regie: Christian Scholze
2023 Freunde – Ein musikalisches Spektakel, Regie: Sonja Elena Schroeder
2024 Sommerfest, Regie: Martin Schulze

Der kleine Wassermann_1_Volker BeushausenFreunde_Volker Beushausen_10Man muss für Werte eintreten_1_Volker Beushausen